Zugegeben. Die kurvige Landstraße auf dem Weg nach Rijeka zieht sich ganz schön in die Länge. Schließlich haben wir ja schon die Tauernautobahn und den Karwanken Tunnel hinter uns gebracht. Als das Meer dann vor dem Lenkrad auftaucht, macht aber plötzlich jede einzelne Kehre der „E65“ großen Spaß. Wir kommen aus dem Schauen auf der schier endlosen kroatischen Küstenstraße kaum heraus. Langsam zieht die Adria und mit ihr die karge Insel Krk an uns vorbei, bis wir schließlich Sveti Juraj erreichen. Der hübsche Küstenort ist ein idealer Stützpunkt, um quasi vom Meer aus das gewaltige Velebit Gebirge zu erkunden.
Der fast 150 Kilometer lange Bergrücken ist Teil der parallel zur Adria-Küste verlaufenden Dinarischen Gebirgskette mit ihren bizarren Karstfelsen. Dem menschenarmen Gebirge vorgelagert ist südlich von Sveti Juraj ein ebenfalls weitgehend unbesiedelter Küstenstreifen mit teils tief eingeschnitten Buchten und vielen vorgelagerten kargen Inseln, die wie Saurierrücken aus der meist wellenarmen Adria herausragen. Von dort erhebt sich das Velebit Gebirge aus dem Meer und erreicht am Vaganski Vrh mit 1757 Meter seinen höchsten Punkt … und das bei einer Horizontalentfernung von nur zehn Kilometern. Auf den Bayerischen Alpenrand übertragen, würde unterhalb der Benediktenwand die Meeresküste ziemlich genau an der Loisach liegen.
Wir wollen am nächsten Morgen nicht ganz so weit hinauf. Sondern auf den „nur“ 1622 Meter hohen Velika Kosa. Da der Ausgangspunkt, der einsame Weiler Gornja Klada, auf 300 Metern liegt, kommen mit leichten Gegenanstiegen aber immer noch gut 1400 Höhenmeter zusammen. Entsprechend früh starten wir im ersten Morgenlicht den Anstieg und werde freudig überrascht. Bereits an der Abzweigung von der Küstenstraße springen mir rote Markierungen ins Auge. Diese begleiten den langen Anstieg zuverlässig durch zunächst karges Karstgelände, das schöne Blicke aufs Meer freigibt. Je höher man kommt, desto mehr Bäume fassen zwischen den Kalkfelsen Fuß. Schließlich geht es durch wunderschönen Buchenwald bergan. Die wenigen auf dem Anstieg liegenden Wegkreuzungen sind ebenfalls bestens ausgeschildert. Und das obwohl kaum Wanderer diesen langen Weg in Kauf nehmen, wie der Wirt der Zavižan Berghütte uns später erzählt. Zuvor genießen wir zunächst allein die grandiose Aussicht vom Hütten-Gipfel Velika Kosa. Bald gesellt sich eine Kroatische Familie hinzu. Diese ist freilich nicht wie wir von Gornja Klada heraufgekommen, sondern hat wie die meisten Velebit Besucher die Möglichkeit genutzt, die Zavižan Berghütte auf einer langen Schotterstraße mit dem eigenen Auto anzufahren. Somit sind Gipfelziele wie der Namensgebende Zavižan oder eben die Velika Kosa auch mit kleineren Kindern gut möglich.
Unter uns leuchten die Inseln Rab, Cres und Krk in der morgendlichen Adria; und im Nordwesten ist hinter der Kvarner Bucht mit dem Vojak der höchst Gipfel Istriens auszumachen. Allen Gebirgen und Inseln gemeinsam ist die weite Verbreitung aller vorstellbaren Karsterscheinungen. Diese entstehen, wenn das Karbonat-Gestein unter Beisein von Kohlensäure in leicht lösliche Hydrogencarbonate umgewandelt wird. Das kohlensäurehaltige Wasser schafft mit der Zeit im felsigen Untergrund ein wahres Labyrinth von Rissen und Klüften, in denen es versickern kann, um im Untergrund große Karsthöhlen auszuformen.
Für die Entstehung der für das Mittelmeer einzigartigen Kroatischen Küste (bei einer ungefähren Luftlinie von 600 km beträgt die gesamte Küstenlinie knapp 1800 km; hinzu kommen noch die ca. 4000 km Küstenlinie der vorgelagerten Inseln) waren hingegen keine chemischen, sondern tektonische und klimatische Vorgänge verantwortlich: Die gleichzeitig mit den Alpen aufgefalteten Küstengebirge sanken vor etwas mehr als 10.000 Jahren weiträumig ab. Gleichzeitig hob sich nach dem Ende der Eiszeit mit dem Abschmelzen riesiger Inlandeismassen der Meeresspiegel deutlich an. Die dadurch ertrunkenen Längstäler wurden zu Meeresarmen, die Bergrücken zu Inseln. Somit sind die höchsten Punkte von Krk, Cres, Lošinj und Pag in Wahrheit stolze Berggipfel, deren gesamte Vertikaldistanz zur Talsohle vom Meer verschluckt wird.
Nicht nur das Festland, auch die Inselwelt der Kvarner Bucht hat wunderschöne Wandertouren zu bieten. Allen voran die Doppelinsel Cres-Lošinj mit der Überschreitung des Osorscica Bergrückens oder der Küstentour zu Blauen Grotte. Apropos Meer: Das die Inselwelt umspülende Wasser soll (mit Ausnahme der direkten Bucht von Rijeka) mit das sauberste und artenreichste im gesamten Mittelmeer sein. Dem können wir nur zustimmen, als wir am Nachmittag einen ersten Sprung in die Adria wagen. Die Fluten sind zwar jetzt Anfang Juni noch etwas frisch … aber nach der langen Tour und der starken Sonne für uns genau richtig temperiert. Als beim Abendessen in Sveti Juraj im netten Lokal „Riva“ die Sonne hinter Krk untergeht, sind wir uns einig: In Kroatien lassen sich Berge und Meer miteinander kombinieren, wie es besser einfach nicht geht.
Es ist wirklich magisch! Fast überirdisch leuchtet das eiskalte Meerwasser in der dunklen Felshöhle, der Blauen Grotte (Plava Grota) von Cres. Der Strand mit der natürlich illuminierten Meereshöhle ist durch eine herrliche Wanderung vom mittelalterlichen Bergdorf Lubenice aus erreichbar. Traumhaft schön sind dabei die Ausblicke. Wild und zugleich beschaulich wirkt diese Winnetou-Landschaft. In die Blaue Grotte gelangt man dann schwimmend. Der Abstieg erfordert ein Minimum an Trittsicherheit.
Egal, ob man sich nach einigen faulen Strandtagen einfach nur die Füße vertreten oder die Insel einmal von ihrer bergigen Seiten kennenlernen will, der Gipfel Sis eröffnet dazu die ideale Gelegenheit. Die Tour ist recht kurz, eher eine Spritztour, bietet fantastische Ausblicke und mediterrane Landschaft mit duftendem Wildem Salbei, Wacholderbüschen, Thymian - dem Geruch von Macchia (kroatisch „Makija“) und Meer.
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Eine unvergleichlich schöne Überschreitung mit fantastischen Ausblicken aufs Meer, die Inseln und das Festland. Dabei geht es über den Osorscica-Kamm und den Televrina-Gipfel. Die Überschreitung ist überwiegend unschwierig, aber gar nicht so kurz. Wem das zu lang ist, der kann die Tour ja auch ohne Überschreitung machen.
Diese sehr reizvolle, selten begangene und ausgedehnte Bergwanderung führt von der Küstenstraße bei Gornja Klada auf den Hauptkamm des Velebit Gebirges hinauf. Von dort bietet sich eine grandiose Aussicht auf die Inseln der Kvarner Bucht und die Adria. Die Tour ist nicht schwer, jedoch konditionell anspruchsvoll und im Sommer sehr heiß.
Zugegeben: Ein Gipfel mit der Marke von 780 Metern über dem Meeresspiegel ist nicht das, was ein Bergsteigerherz auf Anhieb höher schlagen lässt. Aber richtig spannend wird das Ganze, wenn man weiß, dass die Angabe über dem Meeresspiegel hier äußerst wörtlich aufzufassen ist. Denn die Vidova Gora auf der Adria-Insel Brac ist der höchste Punkt der kroatischen Inselwelt.
Im Süden Kroatiens, in Dalmatien, reicht das karstige Biokovo-Gebirge bis an die adriatische Küste. Wer die Mühe nicht scheut und auf den Vosac wandert, steht 1400 Meter über dem Meer und genießt eine traumhafte Aussicht. Und wo kann man schon nach der Bergtour im azurblauen Meer baden?
Es gibt sicher nicht viele Orte, in denen Strandliebhaber und Bergfreunde gleichermaßen so auf ihre Kosten kommen wie in Makarska. Unten: schöne Kiesstrände am türkisfarbenen Meer und gleich dahinter erhebt sich das 1762 m hohe Biokovo-Gebirge. Der hier beschriebene aussichtsreiche Höhenweg vermittelt Eindrücke von der Lieblichkeit dieser Küstenregion und zugleich von der Schroffheit der Berge.
Viele weitere Touren rund um und auf den Inseln der Kvarner Bucht sind im Wanderführer des Autors „Wandern Kompakt - Istrien und Dalmatien“ (Bruckmann Verlag, 2002) enthalten.
Autor: Michael Pröttel