Wenn das Pech zuschlägt, dann ist es faktisch gleich, ob man sich mitten in einer steilen Felswand befindet oder auf maximal harmlosen Pfaden von Hütte zu Hütte wandert. Tatsache ist, aufgrund des rauen Geländes und der Lage stellen Unfälle im Gebirge stets eine größere Herausforderung dar als im Flachland – wenigstens in Europa, nicht etwa in der kanadischen Wildnis. Angesichts dessen ist nicht nur generell maximale Vorsicht angeraten, sondern eine hinreichende Vorbereitung nebst einem einwandfreien Verhalten, wenn der Fall der Fälle eintreten sollte. Zwar darf man sich in aller Regel 24/7/365 auf die Bergwacht verlassen. Bis die jedoch ankommt, können wertvolle Minuten und mehr vergehen – erst recht, wenn das Wetter umschlägt.
Disclaimer: Natürlich können die hier gemachten Tipps keine umfassende Ausbildung ersetzen. Insbesondere, wer häufiger im Hochgebirge unterwegs sein wird, sollte sich unbedingt fachmännisch in lebensrettenden Maßnahmen schulen lassen und dieses Wissen häufig aktualisieren.
Die wichtigste Regel: Niemals unvorbereitet
Egal ob Mountainbiketour, Hochtour oder wirklich knackige Bergtour: Bevor auch nur der erste Fuß in den Stiefel schlüpft, sollte absolut jeder Alpinist ungeachtet seiner Erfahrung, seines Fitnessgrades und anderer Faktoren sich die Zeit nehmen, sich auf „alle Eventualitäten“ vorzubereiten. Das beginnt schon bei banal Anmutendem wie Versicherungen. Wer nicht beruflich alpin unterwegs ist, der wird zwar in aller Regel durch die deutsche Krankenversicherung oder eine Auslandskrankenversicherung abgedeckt, nicht jedoch durch die gesetzliche Unfallversicherung – die greift nicht in der Freizeit.
Ebenfalls sehr sinnvoll wäre eine Rechtsschutzversicherung; nötigenfalls in Form einer Rechtsschutzversicherung ohne Wartezeit unmittelbar vor der Reise abzuschließen. Warum? Nun: Was, wenn der Unfall geschieht, weil sich die Sohle eines brandneuen Wanderstiefels ablöst? Was, wenn es auf dem Klettersteig zur Beinahe-Katastrophe kommt, weil eine schlecht gewartete Klammer sich aus dem Fels löst?
Längst nicht jeder Unfall am Berg geht auf das Konto von Eigenverschulden oder fällt unter die Kategorie „Eigenes Risiko“. Entsprechend sollte man sich sein Recht nötigenfalls erkämpfen können. Immer bedenken: Es geht hier um womöglich lebensverändernde Unfälle.
Just deshalb ist noch mehr Vorbereitung zu betreiben:
Ersthilfe-Set. Unter anderem der deutsche Alpenverein bietet fertige Kits an – unbedingt einer pro Person.
Handy. Unter der 112 ist europaweit (1414 oder 144 in der Schweiz) die Bergwacht zu erreichen. Mitunter kann die Netzabdeckung am Berg allerdings schlecht sein. Daher stets vorher informieren, ob die lokale Bergwacht (auch) eine der möglichen Jedermann-Funkanwendungen (Schweiz: REGA-System) abhört und mindestens ein entsprechendes Gerät beschaffen.
Schmerzmittel. Rezeptfreie Dosierungen von Diclofenac und ähnlichen Mitteln können bei vielen typischen Bergverletzungen einen maßgeblichen Unterschied machen.
Tarp oder Regencape. Nicht immer können die Bergretter binnen Minuten da sein. Dann ist es wichtig, den Verletzten vor Regen und Auskühlung zu schützen.
Stirnlampe. Wenn der Rückweg aufgrund eines Unfalls länger dauert, schützt sie davor, gänzlich im Dunkeln zu stehen. Idealerweise gibt es für Signale an die Retter zusätzliche Rot- und Grünfilter.
Wer Skitouren geht, der sollte sich heutzutage wirklich nicht mehr ohne Lawinen-Airbag und LVS-Signalgerät in den Schnee wagen. Dafür ist beides heute zu günstig und zugänglich. Und natürlich gilt: Alle Ausrüstung ist wertlos, wenn man sich niemals die Zeit nimmt, sich mit ihr in guten Zeiten zu befassen und zu üben.
Das Alpine Notsignal
Es kann auf verschiedenen optischen und akustischen Wegen zwischen Rufen und Taschenlampen angewendet werden und braucht nur eine Uhr: 1. Eine Minute lang alle zehn Sekunden ein Signal geben. 2. Eine Minute pausieren. 3. Eine Minute lang alle zehn Sekunden ein Signal geben 4. … Um zu antworten, wird alle 20 Sekunden für eine Minute ein Signal gegeben, jedoch ebenfalls mit einer einminütigen Unterbrechung.
Eigen- und Helfersicherung geht stets vor!
Egal ob Kreislaufprobleme oder Beinbruch: Am Berg sollten Helfer stets zuerst an sich denken. Das bedeutet primär, nicht kopflos zur Hilfe zu eilen, sondern sich und Dritte zu sichern und umsichtiges Verhalten an den Tag zu legen.
Unterzuckerung
Sowieso bei Diabetikern, aber ebenso bei die auftretenden Anstrengungen nicht gewohnten Menschen kann es am Berg zu Unterzuckerung kommen. Sie drückt sich durch allgemeine Schlappheit, zitternde Extremitäten, weiche Knie und mitunter Hungerattacken aus.
Person bequem, schattig, aber kältegeschützt betten.
Zunächst Traubenzucker oder Glucose-Gel verabreichen, das wirkt besonders rasch.
Ein „Reservoir“ durch Einnahme stark gezuckerter Getränke oder Lebensmittel aufbauen.
Zuletzt Kohlehydrate verabreichen, etwa Getreideprodukte, Nudeln, Reis oder Kartoffeln.
Schürf- und ähnliche Wunden
Häufig gehen Unfälle unterwegs mit Verletzungen zwischen Hautabschürfung und klaffenden Platzwunden einher. So geht es richtig:
Kleidung im Bereich großzügig auf eine Weise entfernen, durch die die Wunde nicht berührt oder bewegt wird (notfalls aufreißen/-schneiden).
Wunde von Steinen und anderen Verschmutzungen reinigen (Tipp: Ampullen mit Kochsalzlösung im Erste-Hilfe-Set).
Sorgfältig mit sterilem Verband abdecken.
Blutungen
Bei leichteren Blutungen kann wie bei Schürfwunden vorgegangen werden. Rinnt das Blut jedoch stark oder spritzt es gar, kann rasch Lebensgefahr bestehen:
Sollte es aufgrund des Blutverlusts zu einem Schock kommen, zeigt dieser sich durch starke Blässe, flatterige Atmung sowie kalte Haut und ebensolchen Schweiß. Solange sich die Verletzung nicht im Bauch-/Becken-/Beinbereich befindet, muss der Betroffene dann in Schocklage gebracht werden: Auf dem Rücken, die Beine höher als der Rest (Rucksack unterlegen.)
Zerrungen / Muskelfaserrisse / Prellungen
Werden Muskeln durch eine plötzliche Bewegung überlastet, können sie ein- oder sogar abreißen. Ähnliches kann bei stumpfer Gewalteinwirkung auftreten, etwa durch Stürze. Typischerweise verraten sich all diese Verletzungen durch punktuell starke, aber flächig deutlich abgegrenzte Schmerzen unter der Haut sowie, speziell bei Extremitäten, eine merklich reduzierte Funktionsfähigkeit. Sie drückt sich häufig durch die Unmöglichkeit aus, das Körperteil selbst bei Ignorieren der Schmerzen bewegen zu können.
Körperteil möglichst nicht mehr bewegen – durch bequemes Hinsetzen oder -legen.
Schmerzenden Bereich idealerweise kühlen. Da am Berg keine Eiskompresse vorhanden sein wird (Tipp: es gibt Knick-Kältekompressen, die sich auf Wunsch aktivieren lassen), nasses Hals- oder Taschentuch auflegen (durch die Verdunstung entsteht Kälte).
Stelle mit einem Kompressionsverband umwickeln, damit die Einblutung, die für einen Teil der Schmerzen verantwortlich ist, minimiert wird.
Aus demselben Grund das Körperteil hoch und ruhig lagern.
Tritt die Verletzung an den Beinen auf und ist selbst nach 30 Minuten kein sicheres (nicht „schmerzfreies“) Gehen möglich, sollte die Bergwacht alarmiert werden, bevor durch den unsicheren Gang womöglich ein noch schlimmerer Unfall eintritt.
Knochenbrüche
Brüche sind deshalb gefährlich, weil die scharfen Bruchkanten wichtige Blutgefäße verletzen können – unter anderem. Sobald also nach einem Sturz eine eindeutige Fehlstellung besteht, müssen Verletzte und Helfer wirklich die Zähne zusammenbeißen und handeln:
Betroffenen sicher hinsetzen oder ablegen, ohne die Verletzung zu belasten.
Ein gerolltes Taschentuch, dünnes Aststück oder Ähnliches zum Draufbeißen geben.
Sofern sich der Bruch nicht unmittelbar im Gelenkbereich befindet, die Extremität ergreifen und sie äußerst vorsichtig und behutsam, aber konsequent, wieder in die richtige Stellung bringen – Achtung: Dies kann sehr starke Schmerzen verursachen, die mitunter eine Bewusstlosigkeit hervorrufen können.
Bergrettung alarmieren.
Mithilfe von Ästen, Wander- oder Skistöcken sowie Verbänden den Bruch und die benachbarten Gelenke provisorisch schienen. Falls möglich sollte der Bruchbereich dabei etwas auseinandergezogen werden. Idealerweise wird der Bereich durch eine Isomatte oder etwas Ähnliches zusätzlich gepolstert.
Bewusstlosigkeit
Unter anderem die Schmerzen eines Knochenbruchs können Bewusstlosigkeit hervorrufen; mitunter in abgeschwächter Form, bei der das Bewusstsein nur gehemmt, der Betroffene aber nicht völlig weggetreten ist.
Betroffenen auf einen sicheren Untergrund bugsieren oder, falls das nicht möglich ist, ihn umfassend via Seil sichern damit es durch Erschlaffung der Muskulatur nicht zu einem Absturz kommt.
Den Bewusstlosen in die stabile Seitenlage bringen. Alle zirka 30 Minuten auf die andere Seite umdrehen.
Bergrettung alarmieren.
Andauernd Atmung des Betroffenen kontrollieren. Bei schnarchenden oder würgenden Geräuschen sowie stockender Atmung sofort nachsehen, ob die Zunge sich nach hinten gerollt hat (bei korrekter Seitenlage jedoch de facto unmöglich).
Betroffenen sorgfältig mit Kleidung und/oder Rettungsdecke vor Auskühlung schützen; auch zum Boden hin (in diesem Fall weist die silberne Seite zum Patienten).
Herzinfarkt
Infarkte können unterwegs aus verschiedenen Gründen entstehen. Immer sind sie absolut lebensbedrohlich und es kommt auf schnellstes Handeln an. Die wichtigsten Merkmale sind ein plötzlicher starker Schmerz in der Brustmitte, der mitunter in die Arme, den Hals oder Bauch strahlt. Kommen noch Anzeichen wie Blässe, Schwitzen und Angstattacken hinzu, muss es schnell gehen:
Den Betroffenen sofort mit leicht erhöhtem Oberkörper hinlegen.
Den Oberkörper einengende Kleidung öffnen/entfernen. Insbesondere Kragen.