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Klettertour über den Südgrat auf die Vordere Brandjochspitze

Klettern am Südgrat mit Traumblick
Klettern am Südgrat mit Traumblick

Ein zackiger Grat erstreckt sich vom Gipfel der Vorderen Brandjochspitze (2559 m) in Richtung Süden. Bergsteiger erwartet dort eine luftige Kletterei mit fantastischem Panorama hoch über Innsbruck.

Von Astrid Därr 

Kühler Fels unter den Fingern, warme Sonnenstrahlen im Rücken, dazu der Ausblick auf die wilden Zacken der Nordkette hoch oben und das Häusermeer von Innsbruck weit unten – ein perfekter Bergtag im Karwendel. »Die Tour liegt so nahe an der Stadt und trotzdem sind wir in ziemlich alpinem Gelände unterwegs. Und der Ausblick ins Inntal ist einfach spektakulär«, schwärmt der Bergführer Matthias Bader, der mich an diesem herrlichen Herbsttag über den Südgrat auf den Gipfel der Vorderen Brandjochspitze (2559 m) begleitet.

Schon der Zustieg ist reizvoll

Zustieg zum Südgrat der Vorderen Brandjochspitze
Zustieg zum Südgrat der Vorderen Brandjochspitze

Die Nordkettenbahn bringt uns vom Zentrum der Tiroler Hauptstadt zur Station Seegrube (1905 m) hinauf. Vorbei am Kinderspielplatz folgen wir zunächst dem Perspektivenweg und queren dann auf dem schmalen Brauneggsteig die weiten, steilen Geröllhänge unterhalb der Seegrubenspitze und der drei Kaminspitzen. Dort oben verläuft der beliebte Innsbrucker Klettersteig, wo sich Bergsteiger an stabilen Sonnentagen manchmal fast auf die Füße treten. Wir sind dagegen alleine unterwegs, kaum haben wir den Dunstkreis der Bahnstation verlassen. Noch weht eine kühle Brise und die Sonne steht tief, doch schon bald bestrahlt sie die Südhänge der »Nordkette«, wie die Tiroler die Gipfelparade über Innsbruck nennen. Sie bildet den südlichen Abschluss des Karwendelgebirges und steht mit dem Naturpark Karwendel unter Schutz.

Immer knapp unterhalb der 2000 Meter-Höhenlinie queren wir die Schotterhänge in Richtung Südwesten. Statt Gämsen beäugen uns einige Schafe, die nach ein paar saftigen Grashalmen suchen. Unser erstes Etappenziel haben wir schon vor Augen: das Brandjochkreuz auf einem Grasrücken unterhalb der Vorderen Brandjochspitze. Nach etwas mehr als einer Stunde erreichen wir den Brandjochboden zwischen duftenden Latschen. Von dort geht´s im Zickzackkurz steil bergauf bis zum Brandjochkreuz (2268 m), das sich beinahe wie ein echter Gipfel anfühlt, nur dass der Weg dahinter weiter aufwärts führt. Während des gesamten Zustiegs genießen wir den grandiosen Blick über das Inntal bis zum Brenner.

Der luftige Südgrat

Der Südgrat der Vorderen Brandjochspitze
Der Südgrat der Vorderen Brandjochspitze
Nun schauen wir hinauf zu unserem eigentlichen Ziel: auf den Südgrat der Vorderen Brandjochspitze. Noch lässt sich kaum erahnen, wo durch das Labyrinth an Felstürmen ein Weg zum Gipfel führen könnte. »Das anstrengendste Stück haben wir schon hinter uns«, sagt Matthias. »Der Südgrat ist mit etwas Kletter- und alpiner Erfahrung auch gut zu schaffen«, fügt er hinzu. Auf den verbleibenden 300 Höhenmetern bis zum Gipfel wechseln sich leichte Kletterpassagen (bis UIAA III) und gut begehbares Schrofengelände ab – hier sind absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit gefordert. Erfahrene, nervenstarke Kletterer meistern den Südgrat seilfrei, wer auf Nummer Sicher gehen möchte, lässt sich an absturzgefährdeten Stellen vom Partner sichern.

Mit Helm auf dem Kopf und Klettergurt an den Hüften folgen wir dem zunehmend luftigen Steig. Matthias nimmt mich in einem engen, steilen Felskamin erstmals ans Seil. Der Fels ist trocken, aber brüchig, so dass ich immer wieder ein Stück Wettersteinkalk als »Souvenirgriff« in den Händen halte. Der zackige Grat wird schmäler und steiler, immer wieder eröffnen sich schwindelerregende Tiefblicke nach links und rechts.
Lockeres Klettern am Südgrat der Vorderen Brandjochspitze
Lockeres Klettern am Südgrat der Vorderen Brandjochspitze
Etwa an der Hälfte der Strecke folgt die Schlüsselstelle: Mit einem beherzten Spreizschritt muss eine Spalte am steilabfallenden Grat überwunden werden. Matthias sichert mich, während ich auf einen kleinen Absatz abklettere und rückwärts mein rechtes Bein auf die andere Seite spreize. Doch so sehr ich mich auch strecke, meine Beine sind zu kurz und mir fehlt der Mut, vorwärts über die luftige Lücke zu springen. »Nur noch 10 Zentimeter!« motiviert mich Matthias und schließlich schaffe ich es doch, mich auf die andere Seite zu manövrieren. Etwa die Hälfte des Grats ist nun geschafft. Immer wieder weicht der sporadisch mit gelben Punkten, Pfeilen und Steinmännchen markierte Steig in die Ost- oder Westflanke aus. »Zum Schluss wird das Gelände zwar einfacher, aber die Wegfindung schwieriger. Man sollte schon immer am Steig bleiben, sonst wird´s anspruchsvoller und brüchiger«, erklärt Matthias.
Finale an der Vorderen Brandjochspitze
Finale an der Vorderen Brandjochspitze

Nach insgesamt drei Stunden stehen wir schließlich auf dem Gipfel, wo wir zum ersten Mal anderen Wanderern begegnen, die über den Normalweg aufgestiegen sind. Inmitten der wilden Felsarena des Karwendels, mit Weitblick auf Olperer und Hochfeiler in den Zillertalern, auf Habicht, Wilder Freiger, Zuckerhütl und Ruderhofspitze in den Stubaiern bis hinüber zur Wildspitze in den Ötztaler Alpen schmeckt die Brotzeit gleich doppelt so gut. Auch beim Abstieg auf dem drahtseilversicherten Steig zum Frau Hitt-Sattel (2235 m), weiter zur sagenumwobenen Felsnadel Frau Hitt und über den Schmidhuber-Steig zurück zur Seegrube genießen wir das Panorama und fast 2000 Meter Tiefblick ins Inntal. Mit der Bahn geht es nach fünf abwechslungsreichen Stunden in alpiner Traumkulisse schließlich wieder abwärts nach Innsbruck.

Charakter

Die Kletterei auf dem Südgrat bis zum Gipfel übersteigt zwar nicht den III. Schwierigkeitsgrad (UIAA), dennoch sollten ihn nur sehr sichere und klettererfahrene Bergsteiger seilfrei begehen – an mehreren Stellen herrscht Absturzgefahr. Der Zustieg bis zum Brandjochkreuz und der Abstieg über den Schmidhuber-Steig bieten keine besonderen Schwierigkeiten. Helm mitnehmen, nicht bei Gewittergefahr oder Nässe begehen!

Am Gipfel der Vorderen Brandjochspitze
Am Gipfel der Vorderen Brandjochspitze

Ausgangspunkt

Station Seegrube der Innsbrucker Nordkettenbahn (1905 m)

Route

  • Station Seegrube
  • Grubegg
  • Brandjochboden
  • Brandjochkreuz
  • Südgrat
  • Vordere Brandjochspitze
  • Frau-Hitt-Sattel
  • Schmidhuber-Steig
  • Station Seegrube

Tourdaten

  • Zeit: 5 Stunden
  • Distanz: 9,5 km
  • Höhendifferenz: 750 Hm

Einkehr

Restaurant Seegrube an der Seilbahnstation

Karte

Alpenvereinskarte 1:25000, Blatt 5/1 »Karwendelgebirge West«